20.08.2020 | Ines Raaz
Veränderte Kalkulation in Corona-Zeiten
Wie sich die Corona-Krise auf die Deckungsbeitragsrechnung auswirkt
Auch die Banken stecken in der Corona-Krise. Denn sie leiden nicht nur unter dem Wirtschaftseinbruch und den niedrigen Zinsen, sondern ebenfalls unter den veränderten Bedingungen im privaten und beruflichen Alltag der Menschen, im Wirtschaftsleben der Unternehmen sowie der Finanzmärkte. Diese neuen Gegebenheiten nehmen Einfluss auf die Kalkulationsparameter und demnach auf die Ergebnisrechnung der Kreditinstitute mit weitreichenden Folgen. Betrachtet man eine Einzelgeschäftskalkulation, so lassen sich unterschiedliche Bestandteile herausarbeiten, mitunter die Bruttomarge sowie Risikokosten, Kosten aus impliziten Optionen, Stück- und Gemeinkosten, Eigenkapitalkosten und ein Gewinnbedarf. All diese Positionen stehen unter dem Einfluss der Covid-19-Pandemie.
Abbildung 1: Darstellung eines beispielhaften Deckungsbeitragsschemas
Der Zinskonditionenbeitrag
Die Bruttomarge stellt, als Differenz aus dem Einstandssatz am Geld- und Kapitalmarkt sowie dem Kundenzins, die Ausgangsbasis im Zuge der Konditionenfindung dar. Infolge der Verunsicherung der Finanzmärkte durch das Coronavirus flüchteten viele Anleger zunächst in die als sicher geltenden Bundesanleihen, wodurch deren Renditen und auch die Zinsen für Baufinanzierungen auf einen neuen, historischen Tiefstand sanken. Aber auch die europäische Zentralbank kauft weiterhin verstärkt Staatsanleihen, um die geschwächte Wirtschaft zu stabilisieren, wodurch das niedrige Zinsniveau als Folge der Geldflut auf absehbare Zeit weiterhin erhalten bleiben wird.
Abbildung 2: Entwicklung der Emissionsrenditen börsennotierter Bundeswertpapiere in Prozent im Zeitraum von 2007 bis 2020 [geglättet], Quelle: Bundesbank
Für Ratenkredite wendete sich das Blatt jedoch vorerst. Da mit den wirtschaftlichen Veränderungen möglicherweise ein erhöhtes Kreditausfallrisiko einhergehen könnte, erhöhten viele Banken die Kundenzinsen für Ratenkredite, wie eine Analyse über die Entwicklung der Kreditzinsen von der Kalenderwoche 11 bis 25 zeigte. In diesem Zeitraum stieg der durchschnittliche Kundenzins von 4,67 Prozent p.a. auf 5,80 Prozent p.a..
Neben diesen Auswirkungen auf die Vorkalkulation, beeinflusst das Coronavirus hinsichtlich des Zinsergebnisses jedoch auch die Nachkalkulation, wenn Tilgungen reduziert oder gar ausgesetzt werden, beispielsweise infolge der durch COVID-19-Pandemie-bedingten Kreditstundungen, die der Gesetzgeber in dem Zeitraum vom 01. April bis zum 30. Juni 2020 für fällige Darlehensleistungen ermöglicht hat. Wie ein Sprecher der S-Finanzgruppe mitteilte, zählten allein die Sparkassen Anfang Juli gut 189.000 gestundete Verbraucherkredite. Diese Abweichungen von dem zuvor vereinbarten Zahlungsplan führen zu außerplanmäßigen Ereignissen und dem Erfordernis, den veränderten Zahlungsstrom mit Gegengeschäften ausgleichen zu müssen. Der Preis dieses Ausgleichs stellt dann entweder einen Aufwand oder einen Nutzen dar.
Abbildung 3: Darstellung einer Stundung lt. CorInsAG
Risikokosten
Ein weiterer Effekt auf die Kalkulation ist zu erwarten, wenn durch eine gestiegene Anzahl an Unternehmensinsolvenzen infolge des konjunkturellen Einbruchs die erwarteten Risikokosten für Banken in die Höhe getrieben werden. Alleine im April wurden gemäß der Bundesagentur für Arbeit für 6,8 Millionen Arbeitnehmer konjunkturelles Kurzarbeitergeld gezahlt, womit die Inanspruchnahme von Kurzarbeit damit weit über den Werten zur Zeit der Finanzkrise im Jahr 2008/2009 lag. Das erhöhte Ausfallrisiko hätte somit nicht nur in der Vorkalkulation für Neugeschäftsabschlüsse Auswirkungen auf die Kundenkondition, sondern wird auch in der Nachkalkulation sowie Risikosteuerung ergebniswirksam, wenn das unterlegte Kapital nicht mehr ausreicht, um die aufgefallenen Forderungen zu decken.
Optionsausübung
Die Einschnitte durch Verdienstausfälle oder Kurzarbeit werden auch im Zuge der Ausübung von Optionsrechten, insbesondere im Bereich der vertraglichen Sondertilgungen, deutlich. Durch die erhöhte Gefahr von finanziellen Engpässen verzichten viele Kreditnehmer auf die Leistung dieser gesonderten Zahlungen. Für Anschlussfinanzierungen im Zuge vorzeitiger Vertragsbeendigungen aufgrund von gesetzlichen Kündigungsrechten, stehen Kreditnehmer darüber hinaus vor der Herausforderung, trotz finanziellen Unsicherheiten und Einschränkungen diese Finanzierungen abschließen zu können. Folglich prüfen viele Kreditinstitute Darlehensneuabschlüsse konservativer, beispielsweise durch höhere Puffer in der Haushaltsrechnung oder indem Finanzierungen der Immobilie bei 90% des Kaufpreises gedeckelt werden.
Eigenkapitalkosten
Betrachtet man die Eigenkapitalkosten, so ergibt sich zunächst eine Entlastung in den Ergebnisrechnungen der Kreditinstitute hinsichtlich gegenwärtiger sowie zukünftiger Anforderungen. Dabei wird den Banken von der Europäischen Bankenaufsicht vorübergehend eine geringere Kapitalunterlegung im Zusammenhang mit den Säule-II-Empfehlungen gestattet, um Kapitalerleichterungen zu erzielen. Darüber hinaus werden die unter „Basel IV“ bekannten schärferen Kapitalvorschriften erst ein Jahr später ihre vollumfängliche Wirkung entfalten, wodurch die ergebnisschmälernden Auswirkungen auf die Eigenkapitalkosten infolge deutlich gestiegener Kapitalanforderungen, die aus dem neuen Regelwerk zur Berechnung von Marktpreisrisiken resultieren würden, um ein weiteres Jahr verschoben werden. Auch hinsichtlich der Corona-bedingten Kreditstundungen lockerten die Aufsichtsbehörden zeitweise die Kriterien zur Beurteilung des Vorliegens von Kunden mit finanziellen Schwierigkeiten, um einen sprunghaften Anstieg der Eigenmittelanforderungen für bestehende Kredite einzudämmen. U. a. haben wir dies bereits in unserem Blog-Eintrag „Entlastungen für Banken in der Corona-Krise“ vom 09.04.2020 detaillierter beschrieben.
Stück- und Gemeinkosten
Nichtsdestotrotz zeigt die Corona-Pandemie auch ihre positive Seite. So beschleunigte die Krise in vielen Instituten die Digitalisierung sowie die Umsetzung digitaler Lösungen und Prozesserleichterungen für Kunden und Mitarbeiter in kurzer Zeit. Langfristig bietet dieser Rückenwind die Chance, Prozesse weiter zu optimieren und zu digitalisieren, um eine angestrebte Erleichterung der Prozess- und Gemeinkosten in der Zukunft umsetzen zu können und dem Kostendruck entgegenzuwirken.
Die Wichtigkeit eines angemessenen Preismanagements
Die Corona-Krise hat gezeigt, wie schnell sich die einzelnen Bestandteile der Ergebnisrechnung verändern können. Eine angemessene Beurteilung der Auswirkungen kurzfristiger Abweichungen erfordern daher eine intensive Auseinandersetzung mit den hausindividuellen Kostenkomponenten. Aber auch langfristig bietet ein strategisches Preismanagement den Schlüssel zum Erfolg, um ihre Unternehmensziele durch das Setzen optimaler Preise und Konditionen zu erreichen. Darüber hinaus ist eine angemessene Preisgestaltung mittlerweile fest in den aufsichtsrechtlichen Anforderungen, wie bspw. der EBA-Leitlinie zur internen Governance, verankert, indem die zugewiesenen Preise von Produkten einerseits in Einklang mit ihren Risiken und erzielten Gewinnen, als auch dem Geschäftsmodell sowie der Risikostrategie des Instituts stehen müssen. Auch die EBA-Leitlinie zur Kreditvergabe und -überwachung greift den Gedanken von Preisstrategien als Leitplanken der Preisgestaltung auf. Wie Sie Ihre strategische Ausrichtung optimal in Ihre marktfähige Preisstellung integrieren können, zeigen wir Ihnen gerne bei einem persönlichen Austausch.
Abbildung 4: Preismanagement als Schlüssel zwischen der strategischen Ausrichtung und der Preisstellung