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DCGK, Corporate Sustainability Due Diligence Directive und EFRAG

Verschiedene regulatorische Neuerungsvorschläge insbesondere zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erhöhen den Druck auf die Unternehmen bei der Nachhaltigkeitstransformation. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die geplanten Änderungen und die damit verbundenen weitreichende Konsequenzen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

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Offenlegung von Nachhaltigkeitsaspekten

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Geplante Änderungen mit weitreichenden Folgen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Verschiedene regulatorische Neuerungsvorschläge insbesondere zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erhöhen den Druck auf die Unternehmen bei der Nachhaltigkeitstransformation. Unter anderem veröffentlichte am 17. Mai 2022 die Regierungskommission den finalen Änderungsvorschlag zum Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) und legte diesen zur Prüfung beim Bundesministerium der Justiz (BMJ) vor. Die Anpassungen des DCGK zielen darauf ab, Nachhaltigkeitsaspekte in der Corporate Governance einzubinden. Der EU-​Richtlinienentwurf zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive, der zurzeit konsultiert wird, hat zum Ziel, Menschenrechts-​ und Umweltaspekte als Sorgfaltspflicht in der Unternehmensführung zu verankern. Schließlich ist die Europäische Beratergruppe für Rechnungslegung (EFRAG) damit betraut worden, gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) EU-​Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auszuarbeiten. Die EFRAG hat hierfür nun erste Berichte vorgelegt.

Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die geplanten Änderungen und die damit verbundenen weitreichende Konsequenzen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Reformvorschlag zu DCGK – die Hintergründe1

Der Begründung der Regierungskommission DCGK zu den am 21. Januar 2022 vorgeschlagenen Änderungen des DCGK ist zu entnehmen, dass der Schwerpunkt der Kodexänderungen darauf abzielt, Nachhaltigkeitsaspekte in der Corporate Governance zu verankern. Seit der letzten Reform 2020 wurden die Erwartungen der Aktionäre und Stakeholder an die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Unternehmensführung wesentlich konkreter. Hier ist auch explizit auf die kommenden erweiterten Berichtspflichten nach der CSRD hinzuweisen. Da das Aktiengesetz interessenpluralistisch ist, soll die Unternehmensführung die Interessen und Erwartungen der Aktionäre, aber auch aller Stakeholder einschließlich der Gesellschaft abwägend zum Ausgleich bringen und darauf basierend die Nachhaltigkeit in der Geschäftsstrategie fixieren.

Es soll die doppelte Maßgeblichkeit, das heißt, sowohl die outside-​in-Perspektive als auch die inside-​out-Perspektive eingeführt werden. Erstere zeigt die Wirkung der Sozial- und Umweltfaktoren auf den Unternehmenserfolg auf, während die Zweitere die Konsequenzen der Unternehmenstätigkeit auf Gesellschaft und Umwelt beleuchtet.

Zentrale Inhalte des Reformvorschlags zu DCGK

Die Empfehlung des Reformentwurfs zu „A. Leitung und Überwachung, I. Geschäftsführungsaufgaben des Vorstands“ lautet:

„A.1 Der Vorstand soll die mit den Sozial- und Umweltfaktoren verbundenen Risiken und Chancen für das Unternehmen sowie die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit systematisch identifizieren und bewerten. In der Unternehmensstrategie sollen neben den langfristigen wirtschaftlichen Zielen auch ökologische und soziale Ziele angemessen berücksichtigt werden. Die Unternehmensplanung soll entsprechende finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Ziele umfassen.“

Der Vorschlag ist folgerichtig, denn die Nachhaltigkeitsfaktoren wirken sich ihrerseits auf das Risiko-/Chancen-​Profil des Unternehmens aus, aber auch die Unternehmenstätigkeit führt zu mitunter erheblichen ökologischen und sozialen Auswirkungen. Insofern sollen die im Risikomanagement üblichen Methoden zum Einsatz kommen. In der Unternehmensstrategie sollte sich der Kompromiss zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem niederschlagen und deshalb auch in die Unternehmensplanung einfließen. Viele Unternehmen gehen in ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung bereits so vor (best practice). Natürlich sind bestimmte Branchen ressourcenintensiver, wie etwa die Textilbranche, landwirtschaftliche Betriebe oder Bodenschätze abbauende Unternehmen. Jedoch nehmen auch andere Branchen, insbesondere Kreditinstitute, massiv Einfluss auf die Ökologie – sei es durch die Kreditvergabeentscheidungen („Welche Investitionen werden finanziert“), sei es durch Wertpapieremissionen („Green Bonds“) oder sei es durch Anlageempfehlungen („Green ETFs“).

Eine weitere markante Änderung betrifft die Erweiterung des internen Kontroll-​ und Risikomanagementsystems (IKRS):

„A.3 Das interne Kontrollsystem und das Risikomanagementsystem sollen, soweit nicht bereits gesetzlich geboten, auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele abdecken. Dies soll die Prozesse und Systeme zur Erfassung und Verarbeitung nachhaltigkeitsbezogener Daten mit einschließen.“

Diese Erweiterung ist nötig, um die Berichtsanforderungen der CSRD erfüllen zu können. Eine wirksame Umsetzung der Unternehmensstrategie beruht auf dem Regelkreismodell des Controllings, also einer umfassenden Unternehmenssteuerung inklusive Erfolgskontrolle. Das Regelkreismodell weist dabei typischerweise die Teilelemente Planung, Kontrolle, Rückkoppelung und (bei unerwünschten Abweichungen) Gegensteuerung auf.

Hier schließen sich zwei Empfehlungen an. Nach Empfehlung A.3 soll das IKRS sowohl auf finanzielle als auch nachhaltigkeitsbezogene Belange ausgerichtet werden. Empfehlung A.5 fordert die zentralen Merkmale des IKRS und deren Angemessenheit und Wirksamkeit im Lagebericht des handelsrechtlichen Jahresabschlusses darzustellen.

Für die Erweiterung der Geschäftsstrategie und des IKRS um Nachhaltigkeitsaspekte ist die Geschäftsführung verantwortlich. Indessen soll auch überwacht werden, ob die Vorstandschaft dieser Verpflichtung nachkommt. Folgerichtig muss hier auch das Aufgabenfeld der Aufsichtsorgane erweitert werden. Grundsatz 6 betrifft deshalb die Erweiterung der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats. Sie erstreckt sich darauf zu überwachen, wie die ökologische und soziale Nachhaltigkeit in der Unternehmensstrategie verankert und umgesetzt wird, dass die strategische und operative Planung auch nachhaltigkeitsbezogene Ziele beinhaltet und dass das IKRS auch auf nachhaltigkeitsbe-​zogene Belange ausgerichtet ist. Deshalb sollte der Aufsichtsrat über eine ausreichende Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen verfügen (Empfehlung C.1).

Nach Grundsatz 14 hat der Aufsichtsrat einen Prüfungsausschuss einzurichten. Gemäß Grundsatz 15 muss mindestens ein Mitglied des Prüfungsausschusses über Sachverstand auf dem Gebiet Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied über Sachverstand auf dem Gebiet Abschlussprüfung verfügen. Nach Empfehlung D.3 rechnet zur Rechnungslegung und Abschlussprüfung auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung und deren Prüfung. Die Rechnungslegungsgrundsätze und die internen Kontroll-​ und Risikomanagementsysteme wirken sich auch auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach §§ 289c, 315c HGB bzw. künftig nach der im HGB umgesetzten CSRD aus.

EU-​Richtlinienentwurf Corporate Sustainability Due Diligence Directive (EU-​Lieferkettenrichtlinie)2

Dieser Entwurf sieht vor, eine spezielle Sorgfaltspflicht für große Unternehmen einzuführen. Die Sorgfaltspflicht betrifft die Identifizierung, die Beendigung, die Verhinderung, die Abschwächung und die Rechenschaftslegung negativer Menschenrechts-​ und Umweltauswirkungen im Unternehmen, den Tochtergesellschaften und in der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens. Betroffen sind zwei Unternehmensgruppen ab einer bestimmten Größe:

Geltungsbereich der Corporate Sustainability Due Diligence Directive

Abbildung 1: Geltungsbereich der geplanten Corporate Sustainability Due Diligence Directive3

Die Unternehmen der Gruppe 1 müssen einen Plan vorlegen, der gewährleisten soll, dass die Geschäftsstrategie mit dem Pariser 1,5 °C – Ziel kompatibel ist. Der Geschäftsführung obliegt es, eine Sorgfaltsprüfung einzuführen, deren Durchführung zu überwachen und in die Geschäftsstrategie zu integrieren ist. Entscheidungen im Unternehmensinteresse müssen die Auswirkungen auf die Menschenrechte, den Klimawandel und die Umwelt berücksichtigen, und zwar auch in der langfristigen Perspektive.

Die eben angesprochene EU-​Lieferkettenrichtlinie ist in engem Zusammenhang zur Non Financial Directive (NFRD) zu sehen. Auf EU-​Ebene wurde über die NFRD die nachhaltige Unternehmensführung hauptsächlich indirekt gefördert, indem etwa 12 000 Unternehmen4 zu Risiken, Auswirkungen, Maßnahmen und Strategien bezogen auf Umwelt, Soziales und Menschenrechte berichtspflichtig wurden. Auch wenn es zu einer Verbesserung der verantwortungsvollen Geschäftstätigkeit kam, blieb zu konstatieren, dass die meisten Unternehmen die negativen Auswirkungen in ihren Wertschöpfungsketten unzureichend in ihre Geschäftsstrategie einbeziehen.5

EU-​Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Seit dem 21. April 2021 liegt der Entwurf zur Überarbeitung der EU-​Richtlinie für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) der Europäischen Kommission vor6. Die Reform weitet die Berichtspflicht unabhängig von der Börsennotierung stark aus: grob geschätzt werden 5-mal so viele Unternehmen wie bisher in der EU berichtspflichtig. Aber auch diese Ausweitung der berichtspflichtigen Unternehmen führt nicht zur Verankerung der skizzierten Sorgfaltspflicht – insofern stellt die EU- Lieferkettenrichtlinie die logische  Fortsetzung der CSRD dar.

Die CSRD sieht die Annahme von EU-​Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung vor. Die Standards sollen von der Europäischen Beratergruppe für Rechnungslegung (EFRAG) ausgearbeitet werden. Sie werden auf die EU-​Politik zugeschnitten sein und auf den internationalen Standardisierungsinitiativen aufsetzen.

ERFAG veröffentlicht Berichte zur Entwicklung der EU-​weiten Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards

Die zwei folgenden EFRAG Berichte sind ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der EU-​weiten Nachhaltigkeitsberichterstattung.7 Die EU-​Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards sind notwendig zur Erfüllung des Zeitplans des Europäischen Green Deals und sie sollen für die Kohärenz der verschiedenen Berichterstattungsvorschriften, insbesondere der SFDR (Sustainable Financial Disclosure Regulation), der NFRD, der EU-​Taxonomieverordnung sowie den Sorgfaltspflichten der EU- Lieferkettenrichtlinie sorgen:

  • Bericht 1 enthält den Entwicklungsplan für umfassende EU-​Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung, die von einer von der EFRAG eingerichteten Multistakeholder-​Taskforce erstellt werden.8
  • Bericht 2 enthält den Reformvorschlag der EFRAG-​Governance-Struktur.9 Auf dieser Basis sollen die künftigen EU-​Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards in einem integrativen Verfahren entwickelt werden. Integrativ bedeutet beispielsweise die Abstimmung der nationalen und europäische Behörden mit dem Fachwissen des privaten Sektors und der Zivilgesellschaft.

Die EFRAG unterscheidet drei Ebenen der Berichterstattung (layers):8 sektorunabhängige Offenlegungen; sektorspezifische Offenlegungen und unternehmensspezifische Offenlegungen. Sie differenziert zwischen drei Berichtsbereichen (reporting areas), die drei zentrale Managementdimensionen umfassen (vgl. Abbildung).

Zielarchitektur der EFRAG

Abbildung 2: Zielarchitektur der EFRAG mit drei Berichterstattungsebenen, drei Berichtsbereichen und drei Kategorien8

Schließlich nennt die EFRAG drei Kategorien, um eine umfassende Abdeckung der ESG-​Faktoren zu fördern:

a) die Kategorie Umwelt (E) enthält Normen, wie über die Auswirkungen aller Umweltfaktoren zu berichten ist: Klimawandel, Wasser- und Meeresressourcen, biologische Vielfalt und Ökosysteme, Kreislaufwirtschaft und Verschmutzung;

b) die Kategorie Soziales (S) umfasst Standards, wie über die Auswirkungen auf und von allen menschlichen Faktoren zu berichten ist, und zwar über das gesamte Ökosystems des Unternehmens: Arbeitskräfte, Beschäftigte in der Wertschöpfungskette, betroffene Gemeinschaften, Verbraucher/Endnutzer;

c) die Kategorie Governance+ (G+) ist breiter angelegt als das traditionelle Konzept der „Governance“. Sie erstreckt sich auf: Unternehmensführung, Geschäfts-​ und Berufsethik, Management der Qualität der Beziehungen zu den Stakeholdern, Organisation und Innovation sowie Reputation und Markenmanagement.

Arbeitspapiere für die Standardentwürfe zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die EFRAG Project Task Force on European sustainability reporting standards (PTF-​ESRS) hat im ersten Quartal 2022 mehrere Arbeitspapiere für die Standardentwürfe zur Nachhaltigkeitsberichterstattung veröffentlicht, aufgeteilt in verschiedene Batches.10 Batch 1 etwa umfasst:

  • Strategy and business model (ESRS2),
  • Sustainability governance and organization (ESRS3),
  • Sustainability material impacts, risks and opportunities (ESRS4) sowie
  • Definitions for policies, targets, action plans and resources (ESRS5).

Außerdem liegt der Entwurf des Themenstandards ESRS E1 Climate Change vor, der wiederum auf dem Standardentwurf der PTF für einen Klimaberichtsstandard basiert. Verfügbar sind zwei von insgesamt sechs geplanten conceptual guidelines, nämlich die zu double materiality und characteristics of information quality (ESRG 1 und 2).

In Zukunft steigende Berichterstattungsanforderungen

Die Skizze zeigt, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung weiter Fahrt aufnimmt und massive Berichterstattungsanforderungen auf die Unternehmen zukommen. Kreditinstitute sind dabei ebenfalls stark betroffen.

Quellen
Sustainable Banking, ESG-Risiken, Nachhaltigkeit

Sustainable Banking

Nachhaltigkeit ist aus der Branche Banking nicht mehr wegzudenken. Treiber sind zum einen die Initiativen von Gesetzgebern und Regulatoren. Aber auch Kunden stellen vermehrt nachhaltige, umweltfreundliche und klimaschonende Aspekte in den Mittelpunkt ihrer Finanzentscheidungen. Um den langfristigen ökonomischen Erfolg zu sichern sowie die regulatorischen Hürden zu meistern, müssen Banken frühzeitig ihre Geschäftstätigkeit auf Nachhaltigkeitsziele ausrichten und fit sein für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken.

Wie sieht die optimale Vorbereitung auf eine nachhaltige Zukunft in der Branche Banking aus? Dieser Frage gehen wir in unserer Serie Sustainable Banking auf den Grund. Mehr Informationen zu diesem Zukunftsthema finden Sie auf unserer Webseite.

Prof. Dr. Konrad Wimmer

ist promovierter Diplom-Kaufmann und bei msg for banking für die strategische Themenentwicklung verantwortlich. Sein Fokus liegt auf den Themen Sustainable Finance, Bankcontrolling, Finanzmathematik, Geschäftsfeldsteuerung, wertorientierte Vertriebssteuerung und Risikomanagement. Er berät Banken zu diesen Themen und ist erfahrener Referent und Autor.

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