02.09.2020 | Janine Otto
Auswirkungen von COVID-19 auf den FinTech-Markt
Die beschlossenen Maßnahmen in der Coronakrise verursachten weltweit einen weitgehenden Stillstand der Wirtschaft. Anfang März waren wir angehalten persönliche Kontakte zu minimieren und zuhause zu bleiben. Und was macht man, wenn man in seinen eigenen vier Wänden verweilen muss? Man sucht sich möglichst sinnvolle und zeitvertreibende Aktivitäten. Zum Beispiel, eine Doku oder spannende Serie bei Netflix bingen, Shoppen bei Zalando, FIFA Zocken auf der PlayStation, Lebensmittel einkaufen und liefern lassen, die Kinder bespaßen und sich mit ihnen durch die Hausaufgaben kämpfen und natürlich Oma und Opa anrufen. Aber hier hört die Liste noch lange nicht auf. Viele, die ich kenne, haben die Zeit auch genutzt, um endlich mal die Finanzen zu ordnen, die Steuererklärung zu machen oder auch mal die Versicherungen zu optimieren.
Aus jeder Krise gehen Gewinner und Verlierer hervor
Uns wird deutlich wer die klaren Gewinner dieser Krise sind: Die Unternehmen, die digitale Dienste anbieten. Dazu zählen Streamingdienste, Onlinehändler, Online-Schulen bzw. Lernplattformen, Video-Call-Anbieter und vor allem unsere geliebten FinTechs. Denn wie bezahlen wir diese digitalen Dienstleistungen am liebsten?
Seit Anfang März sind digitale Dienste beliebter geworden. Nun wird den Entscheidungsträgern in der Politik und der deutschen Wirtschaft auch langsam klar, dass wir an die Grenzen der Wirtschaft ohne Digitalisierung stoßen.
FinTechs haben in dem Fall einen bedeutenden Vorteil gegenüber dem traditionellen Finanzdienstleistungssektor, indem sie flexibler und damit einhergehend auch effizienter sind in deren Unternehmenspolitik und schneller Strategien umformulieren und damit bessere Werkzeuge und Lösungen finden können, um diese Krise zu überleben. Das liegt zum einen daran, dass die meisten FinTech-Unternehmen noch jung sind, d.h. unter 5 Jahre und auch daran, dass die gesamte Unternehmenskultur sehr agil ausgerichtet ist, um möglichen Marktveränderungen flexibel entgegenzustehen.
Doch wer sind denn die Gewinner und Verlierer im FinTech-Umfeld?
Dadurch, dass kontaktlose Zahlungen praktisch und hygienisch zur Abwicklung von Transaktionen sind, sind hier die klaren Sieger die Unternehmen, die mobile Zahlungen anbieten. Auch die etablierten digitalen Bezahlsysteme wie PayPal, Sofort oder Klarna haben im Zuge der Coronakrise nichts zu befürchten, auch wenn ein erheblicher Transaktionsvolumenanteil, nämlich der der Reise- und Veranstaltungsbranche weggefallen ist. Anders könnte es bei den kleineren FinTechs mit Zahlungsverkehrslösungen, die speziell auf KMU’s ausgerichtet sind, aussehen. Denn in diesem Geschäftsmodell sind die Auswirkungen der Existenzbedrohungen der Mittelständler und der Ausfall vieler Branchen, wie Tourismus, Restaurant oder auch Konzertveranstalter anhand des fehlenden Transaktionsvolumens deutlich spürbar.
Dies wiederum erhöht die Nachfrage bei den KMU-Kreditplattformen. Hier insbesondere gehen Peer-to-Peer, also Crowdinvesting-Plattformen, als Gewinner hervor oder auch Kreditplattformen, die noch keine Banklizenz besitzen und die die Darlehen über externe Banken anbieten, ohne selbst ein Ausfallrisiko zu tragen.
Im FinTech-Wertpapierhandel kristallisieren sich auch jeweils Gewinner und Verlierer heraus. In dieser FinTech-Kategorie dürften Robo-Advisors, also digitale Vermögensverwalter, Schwierigkeiten haben. Zwar ist es noch nicht soweit gekommen, dass Kunden ihr gesamtes Kapital ausgezahlt haben wollten, aber dennoch konnte man eine Welle steigender Auszahlungen in diesem Bereich verzeichnen. Dies wiederum sorgt für Probleme, da die gewinnbringenden Gebühren abhängig vom verwaltenden Gesamtvermögen sind und somit den Umsatz von Robo-Advisors beeinflussen. Zudem fließt momentan viel Budget in die Kundenbetreuung, was in diesen Geschäftsmodellen so gar nicht vorgesehen war. Die Gewinner in dieser Fintech-Kategorie sind aber die Trading FinTechs, denn Zeiten wie diese fördern einen sehr volatilen Markt im Trading und Investoren erhoffen sich satte und schnelle Gewinne. Trade Republic vermeldete erst kürzlich ein derart starkes Kundenwachstum, dass selbst der Online-Identifizierungsanbieter WebID nicht hinterherkam die Service Levels zu halten.
Das größte Potential haben wohl die Drittanbieter für Bankendienstleistungen, also jene FinTechs, die als Dienstleister für etablierte Finanzinstitute agieren. Hierzu zählen unter anderem Online-Verifizierungsanbieter, Chatbot-Anbieter oder Digitalisierer von Hypotheken und Lebensversicherungen.
Laut einer Studie der niederländischen Investmentgesellschaft Finch Capital unter dem Titel „Fintech: Die Zukunft nach CV-19“ dürfte die Krise nach Meinung der Autoren noch bis ins dritte Quartal 2020 anhalten, gefolgt von einer 12- bis 18-monatigen Erholungsphase. Junge Startups mit geringer Kapitalabdeckung würden demnach Schwierigkeiten haben diese zu überleben. Wir werden uns wahrscheinlich von einigen FinTechs verabschieden müssen, weil traditionelle Banken auch endlich die Chance erkennen und ihre digitalen Angebote ausweiten. Gleichzeitig haben sie aber mehr Marketing-Budget zur Verfügung haben als ihre jungen digitalen Konkurrenten. Wir können also auch weiterhin nach der Krise von einem anhaltenden Konkurrenzkampf ausgehen.
War‘s das jetzt mit dem FinTech-Boom?
Mitnichten, liebe Fintech-Enthusiasten. Die FinTech-Szene verzeichnet derzeit, trotz der Coronakrise, einige große und sehenswerte Investitionsrunden, die deutschen FinTechs berichten über Kundenwachstum und im gleichen Atemzug finden auch viele Neueinstellungen statt, was uns doch auch mit optimistischer Stimmung auf den FinTech-Markt blicken lässt.